 |
|
|
|
Hexen
Eine Hexe (von althochdeutsch hagzissa/hagazussa
Zaun- oder Hag-Reiterin, vgl. Hagen (Flurname)),
war im Volksglauben eine mit Zauberkräften ausgestattete,
meist weibliche, unheilbringende Person, die häufig
mit Dämonen oder dem Teufel im Bund geglaubt wurde.
Zur Zeit des sog. Hexenwahns wurde diese Vorstellung auf
reale Frauen und Männer bezogen, wodurch Verfolgungen
legitimiert wurden. In jüngster Zeit wird der Begriff
häufig in positiver Weise neu verstanden und mit einer
Tradition bestimmter weiser Frauen und Männer verknüpft.
|
|
|
|
|
 |
Walter W. Skeats etymologisches
Wörterbuch leitet das englische witch (Hexe)
ab aus altenglisch wicche, angelsächsisch wicca
(mask.) oder wicce (fem.): einer verderbten Form
von witga der Kurzform von witega (Seher, Wahrsager),
das seinerseits von angelsächs. witan (sehen,
wissen) herrührt. Entsprechend entwickelt isländisch
vitki (Hexe) aus vita (wissen) oder vizkr (Kluger,
Wissender). Wizard (Zauberer) stammt von normannisch-französisch
wischard, altfranzösisch guiscart (der Scharfsinnige).
Die englischen Wörter wit (Witz) und wisdom
(Weisheit) stammen aus den gleichen Wurzeln. Die
Wurzeln des dt. Hexe finden sich nur im westgermanischen
Sprachraum: mittelhochdeutsch Hecse, Hesse, althochdeutsch
Hagzissa, Hagazussa, mittelniederländisch Haghetisse,
altenglisch Haegtesse: (gespenstisches Wesen) -
im modernen Englisch verkürzt zu hag. Die genaue
Wortbe-deutung ist bis heute nicht geklärt;
der erste Bestandteil von hagazussa ist wahrscheinlich
althoch-deutsch Hag (Zaun, Hecke, Gehege), der zweite
ist möglicherweise mit germanisch / norwegisch
tysja (Elfe, böser Geist) verwandt, also vermutlich
ein auf Hecken sitzender (weil fliegender) böser
Geist. Metaphorisch ließe sich der Begriff
somit als Beschreibung einer Wesenheit begreifen,
das mit einem Bein im Reich der Lebenden, mit dem
anderen im Reich der Toten weilt (die Hecke dient
als Grenze).
|
|
|
|
|
Der Begriff des Hexenglaubens ist
doppeldeutig. Zum einen bezeichnet er die Überzeugung
von der realen, bedrohlichen Existenz der Hexen, wie
er im Volksglauben verwurzelt war und sich zum Hexenwahn
steigern konnte. Zum anderen kann der Begriff heute
die (naturreligiösen) Überzeu-gungen der
sich selbst so bezeichnenden Hexen beiderlei Geschlechts
bezeichnen.
Das Stereotyp der Hexe, nämlich einer alten Frau,
die auf einem Besen reitet (hinzu kommt dann oft die
Begleitung durch einen schwarzen Vogel oder eine Katze),
leitet sich von der Vorstellung eines Dämons
ab, der sich in Hecken oder Hainen aufhält oder
auf Zäunen reitet; aus der Zaun-stange des althochdeutschen
Ausdrucks, meist gegabelte Äste, wurde in bildlichen
Darstellungen der Hexenbesen.
Für das Bild der Zaunreiterin gibt es verschiedene
Erklärungen: Es könnte sich einmal um eine
Art archaischer Waldpriesterinnen gehandelt haben,
andererseits wird auch ein abstraktes Bild bemüht:
Demnach pendeln die Beine von Wesen, die auf Zäunen
sitzen, ja auf zwei verschie-denen Seiten, in diesem
Fall die Seite der menschlichen Welt und die Seite
der Geister (siehe auch Hexensalbe).
Wenn die Hecke eine Trennlinie zwischen der diesseitigen
Welt und der jenseitigen Welt darstellt, ist die Hexe
demnach eine Person, die zwischen diesen beiden Welten
vermitteln kann - somit divinatorische, aber auch
heilende Fähigkeiten und hohes Wissen besitzt.
Der Begriff Hexe ist ein Sammelbegriff, der viele
Ausrichtungen wie zum Beispiel Incantata (Beschwörende),
Bacularia (Besenreiterin), Herberia (Kräuterfrau),
Strix (Eule) u. v. m. zusammenfasst. So umfasst der
Begriff Hexe von je her Heilerin, Hebamme, Orakelsprechende,
Zaubersprechende, Kräuterfrau, (Hell-)Seherin
und vieles mehr.
Die wahrscheinlichste Herkunft des Archetypus "Hexe"
ist aufgrund der etymologischen Hinweise und des überlieferten
Volksglaubens also eine Frau mit okkultem oder Naturheilwissen,
die unter Umständen einer Priesterkaste angehörte.
Mit dem Vordringen des Christentums wurden die heidnischen
Lehren und ihre Anhänger sodann dämonisiert.
|
|
|
|
Verfolgungen von der bösen
Zauberei verdächtigen Personen gab es in
fast allen Kulturkreisen; mit Hexenverfolgung
als historischem Begriff meint man allerdings
die Periode der legalen Hexenverfolgung bzw.
der Hexenprozesse in Europa vom 15. bis ins
18. Jahrhundert. Der Großteil der Hexenverfolgungen
liegt entgegen der landläufigen Ansicht
nicht im Mittelalter, sondern in der frühen
Neuzeit.
Die Hexenverfolgungen betrafen nicht nur Frauen.
Obgleich diese insgesamt die Mehrheit der Verfolgten
bildeten, gab es Abweichungen in Regionen, wo
das Bild des Zauberers traditionell männlich
besetzt war. In Island waren beispielsweise
80% der verfolgten Hexen Männer. Die Männer
wurden als mit einem speziellen Gürtel,
der sie in Tiere (Werwölfe) verwandelte,
ausgestattete Wesen beschrieben. Schon im spätantiken
römischen Recht (unter Diokletian) stand
die Schadenszauberei unter Strafe und auch in
den mosaischen Gesetzen sind entsprechende Regelungen
erwähnt.
In der spätantiken und frühmittelalterlichen
Kirche gab es zwei konkurrierende Ansichten
zur Hexerei. Augustin schloss von der physikalischen
Unmöglichkeit des Zauberns auf eine implizite
Einladung des Teufels zur Bewerkstelligung der
sonst unmöglichen Aufgabe. Diese semiotische
Auffassung der Hexerei trat aber zunächst
in den Hintergrund zugunsten einer Auffassung,
die sich aus den Regelungen der Kirchenväter
zum Umgang mit Frauen ableitete, die glaubten
mit Diana des nachts auszufahren: Diese Frauen,
so heißt es dort, seien mit Nachsicht
zu behandeln, denn da was sie zu tun glaubten
physikalisch unmöglich sei, basiere es
auf Einbildung.
Der Begriff an sich stammt aus der Schweiz:
Hexereye taucht erstmals 1419 in einem Prozess
gegen einen Mann im schweizerischen Luzern auf.
Allerdings ist schon 1402/03 in einem Rechnungsbuch
von Schaffhausen von einem hegsen brand, also
einer Hexenverbrennung die Rede. Das Standardwerk
der Hexenjäger Malleus Maleficiarum erwähnt
die Hexen noch als malefici, d.h. Zauberer.
Bis zu diesem Zeitpunkt wurden vereinzelte Forderungen
der Bevölkerung nach Hexenprozessen von
den Obrigkeiten nicht verhandelt. Die landläufig
als treibende Kraft der Hexenverfolgungen vermutete
Inquisition richtete sich gegen Glaubensabweichler.
Auch soweit diese okkulter Praktiken verdächtigt
wurden, blieb der Hauptanklagepunkt stets die
Häresie. Tatsächlich hat die spanische
Inquisition sogar alle Versuche, in Spanien
Hexenverfolgungen durchzuführen, energisch
unterbunden.
|
|
|
|
Im frühen 15. Jahrhundert
setzt sich jedoch die oben erwähnte Auffassung
der Hexerei als Teufelspakt durch. Zudem festigt
sich das Bild der Hexen als Hexensekte mit Zusammenkünften
und Riten, das später zusammen mit der
Folter als Verhörmethode zu der explosionsartigen
Ausbreitung der Beschuldigungen führen
sollte. Das Zeitalter der legalen Hexenverfolgungen
hatte begonnen.
Den Prozessen lag die peinliche Halsgerichtsordnung
Karls V. zugrunde. Gegenüber der mittelalterlichen
Rechtspraxis bedeutete dies einen Fortschritt,
da die Anwendung der Folter streng reglementiert
war und auf Gottesurteile verzichtet wurde.
Der scheinbar definitive Beweis der Schuld wurde
durch ein Geständnis des Angeklagten erbracht,
welches ohne Folter wiederholt werden musste.
Es war allerdings möglich den Angeklagten
erneut zu foltern, falls er das Geständnis
widerrief.
Obwohl die Hexenprozesse sicherlich teils zur
Beseitigung unliebsamer Nachbarn oder Geschäftspartner
genutzt worden sind, entspringt die Initiative
dazu einer realen Angst vor Verhexung, die für
den modernen Menschen schwer nachzuvollziehen
ist. Die größte Welle der Hexenprozesse
Ende des 16. Jahrhunderts fällt zusammen
mit der sog. kleinen Eiszeit und mit einem Ansteigen
der Verfolgung anderer Delikte, wie z.B. Infantizid
(Abtreibung) oder Sodomie (in der damaligen,
homosexuell geprägten Bedeutung). Einerseits
scheinen also die Klimaverschlechterung und
die damit zusammenhängenden Missernten
den Hexen wegen der ihnen zugeschrieben Macht
der Wetterzauber zur Last gelegt worden sein,
andererseits ist das Bedürfnis nach der
Bestrafung von deviantem Verhalten mit der wirtschaftlichen
Not gestiegen.
Das feststehende Konzept der Hexe, das regelmässige
Treffen (Hexensabbate) einer Art Hexensekte
imaginierte, erwies sich als ebenso verhängnisvoll
wie die Erzwingung des Geständnisses unter
Folter: Da die Angeklagten ihre Reue zeigen
sollten, indem sie ihre Mitver-schwörer
verrieten, zog ein Hexenprozess so immer gleich
etliche andere in einer regelrechten Welle nach
sich. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass z.B.
in deutschen Hexenprozessen des 17. Jahrhunderts
gezielt Adlige in die Verfolgung einbezogen
wurden in der vergeb-lichen Hoffnung, den Prozesswellen
dadurch ein Ende zu machen.
Dabei sollte allerdings nicht vergessen werden,
dass sich immer wieder auch Menschen selbst
als Hexen besagten. Die anfänglichen Beschuldigungen
zumindest waren also, wie oben gesagt, in der
Regel einem wirklichen Hexenglauben entsprungen.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch,
dass die späteren Verfolgungswellen (im
17. Jahrhundert) fast ausschliesslich ursprünglich
auf Beschuldigungen von Kindern zurückgingen.
Am 4. April 1775 wurde im Stift Kempten im Allgäu
Anna Schwegelin wegen erwiesener Teufelsbuhlschaft
als letzter Hexe in Deutschland der Prozess
gemacht. Das Urteil des Fürstabt Honorius
von Schreckenstein, dem kraft kaiserlichen Privilegs
(Campidona sola judicat
) die geistliche
und weltliche Gerichtsbarkeit zustand, wurde
aber aus unbekanntem Grunde nicht vollstreckt.
Noch später, nämlich 1782, wurde als
letzte Hexe der Schweiz Anna Göldi hingerichtet.
Diesen Prozessen begegnete man in der aufgeklärten
Öffentlichkeit Europas allerdings bereits
mit Abscheu.
Das Ende der Hexenverfolgung war allerdings
nicht durch die Aufklärung eingetreten
oder dadurch, dass der Wunsch nach Verfolgung
nachgelassen hätte. Vielmehr waren es juristische
Erwägungen, von dem Jesuiten Friedrich
von Spee in seinem einflussreichen Werk Cautio
Criminalis (Rechtliche Bedenken wegen der Hexenprozesse)
formuliert. Die mangelnde Beweisbarkeit von
übernatürlich entstandenem Schaden
hat dazu geführt, dass die Obrigkeiten
den Hexerei-Beschuldigungen nicht mehr nachgegangen
sind und diese nicht mehr verhandelt haben,
obwohl die Bevölkerung dies lange weiterhin
forderte.
|
|
|
|
|
 |
Hexereivorstellungen und Hexenverfolgungen
sind nach wie vor in vielen Teilen der Welt endemisch,
so z. B. in Westafrika, wo noch in den 1970ern Hexen
für eine Epidemie verantwortlich gemacht wurden.
Anstatt Impfprogramme zu initiieren ließ die
Regierung im Radio Geständnisse alter Frauen
verbreiten, dass diese die Gestalt von Waldkäuzen
angenommen haben, um die Seelen der kranken Kinder
zu stehlen.
Der Hexenbegriff im europäisch-amerikanischen
Kulturraum hat dagegen eine grundlegende Wandlung
erfahren. Mit der Rezeption der frühen Forschung
zu den Hexenverfolgungen (u.a. Michelet-La Sorcière)
durch die alternative Szene und die Frauenbewegung,
insbesondere der Vorstellung, die Hexen seien eigentlich
weise Frauen gewesen, die von den Herrschenden verfolgt
wurden, bietet der Hexentopos ein weites Spektrum
der Identifikation für die Esoterikszene. Zu
nennen ist hier vor allem die Wicca-Religion, die
sich als ursprüngliche, heidnische Natur-Religion
der Hexen versteht und in den USA viele Anhänger
hat.
Das Bild der mit Wunderkräften ausgestatteten
Hexe gilt heutigen Hexen als überholt und hat
mit deren Selbstverständnis nichts zu tun.
"Hexe" (auch für Männer gebraucht)
gilt dagegen heute eher als Umschreibung einer selbstbestimmten
Persönlichkeit mit Neigungen zu Okkultem. Fähigkeiten
oder Eigenschaften sind dazu nicht eigentlich vonnöten.
|
|
|
|
Märchen von Hexen finden sich zahlreich
in der Sammlung der 'Kinder- und Hausmärchen' der Brüder
Grimm. Das bekannteste ist wohl das Märchen von Hänsel
und Gretel, in dem die Hexe mit allen Merkmalen dargestellt
wird, die ihr der Volksglaube angedichtet hat. Dazu gehört
insbesondere auch die Bedrohung von Kindern.
Im Harz, wo in der Walpurgisnacht das Treffen der Hexen
auf dem Blocksberg vermutet wurde, wird der Hexenglaube
als folkloristisches Brauchtum weiter gepflegt.
Im Bereich der schwäbisch-alemannischen Fastnacht wie
auch in der tirolischen Fastnacht treten Fastnachtshexen
auf, die sich im 20. Jahrhundert vor allem im schwäbisch-alemannischen
Raum explosionsartig vermehrt haben. Inwieweit sie sich
auf die Hexenverfolgung oder die Märchenhexe zurückführen
lassen, ist in der volkskundlichen Forschung nicht ausreichend
geklärt.
Die literarischen und filmischen Verarbeitungen des Hexenmotivs
sind zahllos und reichen von Shakespeares Macbeth bis etwa
zum Blair Witch Project. Das traditionelle (Schreckens-)
Bild der Hexe lebt in modernen Märchen wie Charmed
oder den Hexen von Eastwick fort.
Daneben zeigt sich jedoch eine neue Tradition positiver Hexenbilder
in der Literatur. Während Die Kleine Hexe bei Otfried
Preußler (1957) wegen ihrer guten Taten noch zur Außenseiterin
wird, kennen heutige Kinderbücher überwiegend "gute"
Hexen (Bibi Blocksberg, Lisbeth, Zilly) oder lassen gute und
böse Hexen gleichermaßen zu (Harry Potter). Der
Begriff der "Hexe" hat hier seine frühere negative
Konnotation weitgehend eingebüßt. |
|
|
|
 |
|
 |
|
|
|